HEV Jahresbericht 2017

JAHRESBERICHT 2017

Rechtsprechung

Rechtsprechung

RECHTSPRECHUNG Ausgewählte Bundesgerichtsentscheide

Verletzung der Gemeindeauto- nomie Eine Einwohnergemeinde hatte im Jahr 2013 ihr Zonenreglement geändert. In diesem Zusammenhang wurde eine Mehrwertabgabe für Grundstückeigen- tümer eingeführt. Bei einer Zuweisung eines Grundstücks in eine Bauzone (Einzonung) oder bei einer erheblich gesteigerten Nutzungsmöglichkeit auf- grund einer Aufzonung wurde der be- treffende Grundeigentümer verpflich- tet, eine Mehrwertabgabe zwischen 25 und 40 Prozent zu zahlen. Der Regie- rungsrat sowie das Kantonsgericht ka- men jedoch zu dem Schluss, dass es der Einwohnergemeinde an der notwendi- gen Kompetenz zur Erhebung einer sol- chen Abgabe mangelt und die Abgabe damit widerrechtlich sei. Das Bundesgericht berief sich auf Art. 5 Abs. 1 des Raumplanungsgeset- zes, das die Erhebung einer solchen Mehrwertabgabe bundesrechtlich vor- schreibt. Die Kantone sind dadurch verpflichtet, festzuhalten, ob die Ein- führung durch den Kanton oder die Gemeinden zu erfolgen hat. Im vorlie- genden Fall war der kantonale Gesetz- geber untätig geblieben und hatte es versäumt, auf kantonaler Ebene eine Mehrwertabgabe einzuführen oder die Kompetenz an die Gemeinden zu dele- gieren. Das Bundesgericht kam zu dem Schluss, dass die Kompetenz den Ge- meinden zukommt, sofern der Kanton säumig ist und seine Gesetzgebungs- kompetenz nicht ausschöpft. Aus Sicht des Bundesgesetzgebers ist es nicht elementar, wer die Mehrwertabgabe einführt, sondern dass der Ausgleich für Planungsvor- und Nachteile gesetzlich geregelt wird. Mehrwertabgabe als kostenun- abhängige Kausalabgabe Im vorliegenden Fall des Kantons Ba- Untätigbleiben des Kantons hat Folgen

sel-Land kam erschwerend hinzu, dass eine subsidiäre Gemeindekompetenz an die Voraussetzung der lokalen Be- deutung gebunden ist. Das Bundesge- richt hielt dahingehend fest, dass die Erhebung einer Mehrwertabgabe in einem engen Zusammenhang mit der Ortsplanung steht. Es hielt ausserdem fest, dass es sich bei der Mehrwertab- gabe um eine kostenunabhängige Kausalabgabe handelt und damit das Gegenstück zu einer Minderwertent- schädigung bei materieller Enteignung darstellt. Die Erhebung von Kausalab- gaben liegt sodann in der Kompetenz der Gemeinde, während die Erhebung von Steuern der Gemeindekompetenz entzogen ist. Im Urteil vom 16. November 2016 hatte das Bundesgericht den folgenden Sach- verhalt zu beurteilen: Zwei Eigentümer eines Einfamilienhauses, welches sich in der Wohnzone der Stadt Chur befin- det, wollten eine Solaranlage auf dem Dach errichten. Die Wohnzone bildet Teil der Siedlung „Stampagarten“, wel- che im Bundesinventar der schützens- werten Ortsbilder der Schweiz (ISOS) mit Erhaltungsziel A aufgeführt ist. Am 6. April 2012 ersuchten die Eigentümer das Hochbauamt der Stadt Chur um eine Bewilligung einer Installation einer cirka 15m2 grossen thermischen Solar- anlage. Der Churer Stadtrat verweigerte die Bewilligung. Die Eigentümer ergrif- fen Beschwerde ans Verwaltungsge- richt. Dieses hob den Bauentscheid mit Urteil vom 16. April 2013 auf und wies die Angelegenheit zur Prüfung der Zu- lässigkeit einer kleineren Solaranlage an die Stadt Chur zurück. Die Eigentü- mer ersuchten am 31. Juli 2014 gestützt (Urteil des Bundesgerichts 2C_886/2015 vom 16. November 20167) Denkmalschutz verhindert Solaranlage

Der Schwellenwert als absolute Grenze Das Bundesgericht folgte der Argu- mentation und hob die kantonale Ge- setzesnorm zur Berechnung der Eigen- mietwerte auf. Es hielt fest, dass die kantonalen Regelungen zur Eigenmiet- wertbesteuerung die Steuergerechtig- keit zwischen Mieter und Eigentümern nicht nur in vergleichbaren wirtschaft- lichen Verhältnissen, sondern insge- samt gewährleisten soll. Ein kantonales Steuergesetz muss sicherstellen, dass der Schwellenwert von 60 Prozent der Marktmiete in keinem Fall unterschrit- ten wird. Ein Abstellen auf einen Durch- schnitt von 60 Prozent liesse jedoch Abweichungen in beträchtlicher Zahl zu und genügt den Ansprüchen der Gleichbehandlung nach Art. 8 BV nicht. Auch das Instrument der Anpassun- gen im Einzelfall, die das vorliegende Steuergesetz vorsieht, erfüllt dies nicht umfänglich. Die entsprechende Norm hatte im konkreten Fall zur Folge, dass eine erhebliche Anzahl von Eigentü- mern selbstbewohnter Liegenschaften steuerlich privilegiert wurde. (Urteil des Bundesgerichts 2C_519/2015 vom 12. Januar 2017) DieErhebungderMehrwert- abgabe ist obligatorisch Das Bundesgericht musste sich mit der Frage auseinandersetzen, wem die Kompetenz zur Einführung einer Mehr- wertabgabe zukommt. Es kam zu dem Schluss, dass die Gemeinden zur Ein- führung von Abgaben berechtigt sind, sofern der Kanton untätig bleibt und die Erhebung der Abgabe durch das Bun- desrecht vorgeschrieben ist.

auf den inzwischen in Kraft getretenen revidierten Art. 18a RPG bei der Stadt Chur um Bewilligung einer vollflächi- gen Photovoltaikanlage. Das Baugesuch wurde jedoch vom Stadtrat abgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde lehnte das Verwaltungsgericht am 6. Oktober 2015 unter Berufung auf einen eingeholten Amtsbericht der kantona- len Denkmalpflege ab. Die Eigentümer gelangten mit Beschwerde ans Bun- desgericht. Diese wurde vom höchsten Gericht mit folgender Begründung ab- gewiesen: Um die Errichtung von Solaranlagen grundsätzlich zu fördern, wurde Art 18a RPG revidiert. Gemäss Abs. 3 bedürfen jedoch Solaranlagen auf Kultur- und Naturdenkmäler von kantonaler und nationaler Bedeutung stets einer Bau- bewilligung. Sie dürfen solche Denk- mäler nicht wesentlich beeinträchti- gen. Da die Siedlung Stampagarten in das ISOS aufgenommen wurde, betrifft die Solaranlage ein Denkmal von nati- onaler Bedeutung gemäss Art. 18a Abs. 3 RPG. Entsprechend darf die Baube- willigung nur erteilt werden, wenn die Anlage den Stampagarten nicht wesent- lich beeinträchtigt. Bei der Beurteilung einer wesentlichen Beeinträchtigung

Der Eigenmietwert muss auf 60 Prozent der Marktmiete beruhen Das Bundesgericht hat sich Anfang des Jahres mit der Berechnung der zu versteuernden Eigenmietwerte be- schäftigen müssen. Es hielt fest, dass der Schwellenwert von 60 Prozent des Marktmietwertes in keinem Fall un- terschritten werden darf. Andernfalls ist das Gleichbehandlungsgebot nach Art. 8 BV verletzt. Die entsprechende Rechtsnorm wurde durch das Bundes- gericht aufgehoben. Neuregelung der Berechnungs- sätze Die Kantone sind durch das Bundes- recht dazu verpflichtet, die Eigenmiet- werte von selbstgenutztemWohneigen- tumzu besteuern. ImGegenzug können Eigentümer die Unterhaltskosten, Hy- pothekarzinsen und weitere Kosten im Zusammenhang mit der Immobilie in Abzug bringen. Der Eigenmietwert wird dabei je nach Kanton auf verschiede- nen Berechnungsgrundlagen festgelegt. Häufig ist der Marktmietwert die Haupt- berechnungskomponente. Im Frühjahr

2015 beschloss der Landrat des Kantons Basel-Landschaft, die Besteuerung der Eigenmietwerte neu zu regeln und da- bei insbesondere die Umrechnungssät- ze zur Berechnung zu reduzieren. Kritik des Mieterverbandes Ein Privatkläger sowie der örtliche Mie- terverband wendeten sich mit einem Rechtsmittel gegen die Änderung des Steuergesetzes und beantragten die Aufhebung der relevanten Norm auf- grund der Benachteiligung von Mietern in gleichen finanziellen Verhältnissen. Sie machten geltend, dass die Reduk- tion der Umrechnungssätze gegen das verfassungsrechtliche Gebot der rechtsgleichen Behandlung verstosse. In einem Gutachten wurde festgestellt, dass nach einer Reduktion der Umrech- nungssätze der Mietwert selbstgenutz- ter Liegenschaften im Durchschnitt nur noch 60,1 Prozent der Marktmiete entspreche. Die Kläger argumentier- ten, dass der Eigenmietwert aufgrund der Reduktion in gewissen Fällen den Schwellenwert von 60 Prozent unter- schreitet und damit Bundesrecht ver- letzt.

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