HEV Jahresbericht 2017

JAHRESBERICHT 2017

Rechtsprechung

Rechtsprechung

Kirchenglockengeläut: Keine Einstellung der Viertelstun- denschläge Das Bundesgericht hat in einem Entscheid vom 13. Dezember 2017 (1C_383/2016) entschieden, dass die viertelstündlichen Glockenschläge der evangelisch-reformierten Kirche in Wä- denswil (ZH) während der Nacht nicht eingestellt werden müssen. Das Bun- desgericht hält damit an seiner bisheri- gen Rechtsprechung fest, wonach eine solche Massnahme angesichts ihrer beschränkten Wirkung in Bezug auf den Lärmschutz dann nicht gerechtfertigt ist, wenn der nächtliche Glockenschlag in der betroffenen Gemeinde fest ver- wurzelt ist [vgl. Entscheid des Bundes- gerichts 1C_297/2009 vom 18. Januar 2010 betreffend den Glockenschlag der evangelisch-reformierten Kirche in Gossau (ZH)]. Im vorliegend vom Bundesgericht beurteilten Fall hatte das kantonale Baurekursgericht eine Einstellung der Viertelstundenschläge zwischen 22.00 Uhr und 07.00 Uhr, unter Beibehaltung der Stundenschläge, verfügt. Das Ver- waltungsgericht des Kantons Zürich schützte diesen Entscheid. Das Läuten von Kirchenglocken unter- liege grundsätzlich den Lärmvorschrif- ten des Umweltrechtes. Nachdem der Bundesrat keine Lärmgrenzwerte für Kirchenglockengeläut festgelegt habe, sei über eine allfällige Beschränkung der Betriebszeiten – im Sinne einer vorsorg- lichen Emissionsbegrenzung – anhand einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung zu entscheiden. Dabei stünden sich das Ruhebedürfnis der Bevölkerung und das Interesse am Läuten der Glocken gegenüber. Im Ge- gensatz zu den kantonalen Vorinstan- zen relativierte das Bundesgericht die Bedeutung einer Studie der ETH aus dem Jahre 2011, welche sich erstmals zur spezifischen Störwirkung von Kir-

von Kulturdenkmälern berücksichtigt das Bundesgericht die Praxis zur unge- schmälerten Erhaltung eines Schutzob- jekts gemäss Art. 6 NHG. Die Schwere der Beeinträchtigung eines Kulturdenk- mals des ISOS ist demnach im Einzelfall anhand der entsprechenden Schutz- ziele zu beurteilen. Eine wesentliche Beeinträchtigung liegt vor, wenn eine Solaranlage das Schutzobjekt in jenen Bereichen, die es einzigartig oder cha- rakteristisch machen und aufgrund derer es unter Schutz gestellt wurde, in erheblicher bzw. umfangreicher Weise beeinträchtigt. Das Schutzziel ist vor- liegend die Wahrung des homogenen Erscheinungsbilds. Gemäss Bundesge- richt ist dabei zu beachten, dass Orts- bilder durch den Ersatz des originalen Dachbedeckungsmaterials markant verändert werden können, wenn die Materialien sich erheblich unterschei- den. Entsprechend sieht die Planungs- hilfe der Stadt Chur vor, dass techni- sche Anlagen wie Sonnenkollektoren zurückhaltend eingesetzt werden sollen und sie farblich der Dachfläche anzu- passen sind. Das Bundesgericht stützte die Auffassung der kantonalen Instan- zen. Diese durften vorliegend davon ausgehen, dass die geplante grossflä- chige Solaranlage mit dunklen Solarzel- len in der Dachlandschaft des Stampa-

gartens mit erdfarbenen Ziegeldächern einen auffälligen Fremdkörper darstellt, der das Siedlungsbild erheblich verän- dere. Weiter führte das Bundesgericht aus, dass das äussere Bild einer Sied- lung stark durch die Dachlandschaft geprägt wird, weshalb die Gestaltung eines Dachs nicht nur ein Einzeldenk- mal sondern das Ortsbild als Ganzes betrifft. Entsprechend ist auf die ge- samte Dachlandschaft des Ortes Rück- sicht zu nehmen. Demnach hatte die Stadt Chur ihren Ermessenspielraum nicht überschritten, wenn sie annahm, dass der durch die geplante grossflächi- ge Solaranlage geschaffene auffällige Fremdkörper in der Dachlandschaft des Stampagartens das geschützte einheit- liche Erscheinungsbild dieser Siedlung wesentlich beeinträchtige. Die Verwei- gerung der Baubewilligung verstösst gemäss Bundesgericht nicht gegen das gesetzliche Ziel, die Nutzung der Son- nenenergie zu fördern, zumal das Ge- setz auch vorsieht, dass Solaranlagen auf Kultur- und Naturdenkmäler von kantonaler oder nationaler Bedeutung diese Denkmäler nicht wesentlich be- einträchtigen dürfen. Auch weitere Vor- bringen der Eigentümer führten nicht zum Ziel. Selbst das Argument, die Denkmalpflege sei in ihrer Stellungah- me befangen, weil sie das bereits frühe-

re Baugesuch für die thermische Solar- anlage abschlägig beurteilt habe, wurde nicht gehört. Die Mehrfachbefassung ist gemäss Bundesgericht systembe- dingt und unvermeidlich, weshalb nicht grundsätzlich eine unzulässige Vorbe- fassung der Behörde vorliege. Diese Rechtsprechung zeigt exempla- risch, dass der Natur- undHeimatschutz Projekte, die aus raumplanerischen oder energiepolitischen öffentlichen Interessen des Bundes sinnvoll sind, verhindert. Im Zusammenhang mit der Bewilli- gungspraxis von Bauprojekten, welche Objekte betreffen, die in einem Schut- zinventar des Bundes aufgeführt sind, zeigt sich ein weiteres Problem: Gut- achten der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission bilden häu- fig alleinige Entscheidungsgrundlage bei der Beurteilung. Diesen Missstand will die Parlamentarische Initiative des Ausschussmitglieds HEV Schweiz, Stän- derat Joachim Eder „Die Eidgenössi- sche Natur- und Heimatschutzkommis- sion und ihre Aufgabe als Gutachterin“ beheben. Zudem fordert der Initiant, dass die Bedeutung der Inventare des Bundes eingegrenzt wird, indem von der ungeschmälerten Erhaltung abge- wichen werden kann, wenn öffentliche Interessen des Bundes, der Kantone oder eine umfassende Interessenabwä- gung dies rechtfertigen. Damit soll die Realisierung von Projekten im Bereich der erneuerbaren Energien in einem geschützten Gebiet erleichtert werden. Dem Vorstoss gaben beide Kommissi- onen Folge. Die UREK-S arbeitet der- zeit einen Entwurf zur Umsetzung aus, nachdem die Frist bis im Herbst 2019 verlängert wurde. BGer 1C_26/2016 vom 16.11.2016:

Auffassung angeschlossen. Im Gegen- satz zum Zürcher Verwaltungsgericht, welches aufgrund der ETH Studie von dieser Bewertung abrückte, hält das Bundesgericht im jüngsten Entscheid nun ausdrücklich daran fest, dass zu berücksichtigen sei, dass der nächtli- che Glockenschlag in Wädenswil fest verwurzelt sei und eine lokale Tradition darstelle, für deren Beibehaltung sich nicht nur die zuständigen Behörden sondern auch 2000 Personen aus Wä- denswil in einer Petition ausgesprochen hätten. Kündigung des Mietverhält- nisses zur Wiederherstellung des Hausfriedens nicht missbräuchlich Das Bundesgericht hat in einem Entscheid vom 27. September 2017 (4A_421/2017) festgehalten, dass eine Kündigung des Mietverhältnisses durch den Vermieter zur Wiederherstellung des Hausfriedens nicht rechtsmiss-

chenglocken äusserte. Gemäss Studie würde sich bei einem Verzicht auf den Viertelstundenschlag die vom Glocken- geläut verursachten Aufwachreaktio- nen von knapp 2 auf rund 1,5 reduzie- ren (bei gekippten Fenstern). Es sei zu bezweifeln, ob diese Studie den aktu- ellen Stand der Wissenschaft in diesem Bereich wiedergäbe. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass sich durch die Einstellung der Viertelstun- denschläge in der Nacht eine nennens- werte Verbesserung für die betroffenen Personen ergeben würde. Das Zürcher Verwaltungsgericht hatte im seinerzeit auch vom Bundesgericht zu beurteilenden Fall Gossau (ZH) festgehalten, dem verhältnismässig geringen Kreis möglicher Betroffener stünden Werte gegenüber, welche weite Kreise der Bevölkerung dem Zeitschla- gen als Teil der lokalen Überlieferung und Kultur beimessen würden. Das öf- fentliche Interesse an der Bewahrung dieser Werte sei von der zuständigen Behörde als hoch eingeschätzt worden. Das Bundesgericht hatte sich dieser

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