HEV Jahresbericht 2022
Politische Kernthemen
Fristenstillstand und Berechnungsfrist der
Rechtsprechung und in der Praxis eta bliert. Unterlässt es der Mieter, das Ein schreiben abzuholen, gilt die Kündigung als zugestellt und die Anfechtungsfrist beginnt ebenfalls zu laufen. Gemäss dem Vorstoss sollen schriftliche Kündigungen zukünftig erst am siebenten Tag nach dem ersten erfolglosen Zustellversuch als zugestellt gelten (= relative Empfangsthe orie). Das Bundesgericht hat wiederholt festgestellt, dass die absolute Empfangs theorie in gerechter Weise auf die gegen sätzlichen Interessen der beiden Partei en Rücksicht nimmt, auf diejenigen des Absenders (Vermieter) und diejenigen des Empfängers (Mieter). Der Absender (Vermieter) trägt das Risiko der Übertra gung des Schreibens bis zum Zeitpunkt, in welchem es in den Machtbereich des Empfängers (Mieter) gelangt. Der Emp fänger (Mieter) trägt das Risiko im Innern seines Machtbereichs, dass er nicht oder verspätet von der Mitteilung Kenntnis er langt. Es gibt keinen Grund, von diesem bewährten Vorgehen abzuweichen und die Interessen des Empfängers (Mieters) höher zu gewichten. Beide Vorstösse wurden von der vorbera tenen Rechtskommission zur Ablehnung empfohlen und in der Wintersession 2022 vom Nationalrat wuchtig abgelehnt.
fahren ermöglichen. Schon heute sind die Schlichtungsbehörden ob der vielen Verfahren überlastet und können diese oft nicht innert der geforderten 2 Monate durchführen. Kommt nun noch ein Fris tenstillstand hinzu, sorgt diese Verzöge rung für Rechtsunsicherheit und birgt erhebliches Konfliktpotential auch für Mieter, die unter Umständen dann eine noch kürzere Frist zur Verfügung haben, um das Mietobjekt zu verlassen. Hinzu kommt, dass ein Schlichtungsverfahren relativ formfrei möglich ist; es bedarf keiner ausführlichen Rechtsschrift und keiner anwaltlichen Vertretung. Mit der geltenden Frist von 30 Tagen haben Mie ter bereits heute ausreichend Zeit, sich über ihre Möglichkeiten zu informieren, zudem wird im amtlichen Formular klar auf alle rechtlichen Möglichkeiten hin gewiesen. Der zweite Vorstoss forderte eine Anpas sung der Berechnungsfrist der Zustellung von Kündigungen. Kündigt ein Vermieter heute schriftlich ein bestehendes Miet verhältnis, dann untersteht diese Kün digung der absoluten Empfangstheorie. Demnach beginnt die Frist zur Anfech tung ab dem Tag zu laufen, an dem der Mieter den eingeschriebenen Brief (Kün digung) das erste Mal hätte abholen kön nen. Die heutige Regelung hat sich in der
Zustellung von Kündigungen: Verschlechterung abgewehrt
Zwei Vorstösse von Nationalrat Chris tian Dandrès, Ausschuss-Mitglied des Schweizerischen Mieterverbandes (AS LOCA) forderten 2022, dass in gewissen mietrechtlichen Streitigkeiten, entgegen dem Willen des Gesetzgebers, ein Fris tenstillstand während gewissen Zeiten eingeführt werden sollte und, dass bei Kündigungen zukünftig eine andere Be rechnung der Frist ab Zustellung einge führt werden sollte. Beide Neuregelungen hätten zu einer erheblichen Verschlech terung der Fristenregelung geführt. Der erste Vorstoss stellte einen Angriff auf den bewährten Fristenstillstand bzw. die sinnvollen Ausnahmen die ser Regelung dar. Gemäss Art. 145 ZPO (Zivilprozessordnung) stehen gesetzli che und gerichtliche Fristen während gewissen Zeiten still. Der Gesetzgeber hat aber bewusst den Fristenstillstand nicht für sämtliche Schlichtungsver fahren sowie summarische Verfahren eingeführt. Das Schlichtungsverfahren dient der Streitvermittlung und soll den Parteien ein schnelles, formloses Ver
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