HEV Jahresbericht 2022

JAHRESBERICHT 202 2

Rechtsprechung

RECHTSPRECHUNG Ausgewählte Bundesgerichtsentscheide

abstellen, selbst wenn diese für die Beur teilung der Orts- und Quartierüblichkeit (Art. 11 Abs. 4 VMWG) nicht ausreichend differenziert sind. Das Waadtländer Ge richt durfte gemäss Bundesgericht diese Zahlen beiziehen, den Merkmalen der Wohnung Rechnung tragen, den Miet zins des Vormieters berücksichtigen und diese Positionen aufgrund seiner Kennt nisse des lokalen Mietmarktes gewichten Nachweis und Beweislast der Zustellung des Anfangsmiet zinsformulars bei Abschluss des Mietvertrags Urteil des Bundesgerichts 4A_302/2021 vom 28. Januar 2022 Am 23. August 2011 schlossen die Partei en einen Mietvertrag über eine Fünfzim merwohnung in Montreux mit einem Mietzins von monatlich 4100 Franken. Im Mietvertrag wurde das amtliche Formular nicht als Beilage erwähnt. Im November 2015 klagte die Mieterschaft auf Feststellung der Nichtigkeit des Anfangsmietzinses sowie richterliche Festsetzung des Anfangsmietzinses und Rückerstattung der zu viel bezahlten Zinsen. Die Mieter stellten sich auf den Standpunkt, dass ihnen nie ein amtli ches Formular zur Mitteilung des An fangsmietzinses zugegangen sei und sie erst im Zusammenhang mit einer Zah lungsaufforderung der Vermieterin aus dem Jahre 2015 erfahren hätten, dass der Anfangsmietzins ohne Abgabe des amtlichen Formulars nichtig sei. Strit tig vor Bundesgericht waren die Fragen nach der Aushändigung des amtlichen Formulars zur Mitteilung des Mietzinses bei Abschluss eines neuen Mietvertrages an die Mieter und ob die Forderung auf richterliche Festsetzung des Anfangs mietzinses und Rückerstattung der Miet zinse nicht bereits verjährt waren (Die

Bundesgericht präzisiert die Festlegung des Anfangsmiet zinses bei Altbauten Urteil des Bundesgerichts 4A_554/2021 vom 2. Mai 2022 Bei dem vom Bundesgericht zu beurtei lenden Streit ging es um die Höhe des Anfangsmietzinses für eine Vierzim merwohnung einer Altliegenschaft in Montreux. Die Wohnung war im Jahre 2017 für 2280 Franken im Monat vermie tet worden. Der Vormieter hatte für die Wohnung 1562 Franken monatlich be zahlt. Die neuen Mieter fochten den ver traglich vereinbarten neuen Mietzins als missbräuchlich an und verlangten eine Herabsetzung auf 1467 Franken. Sie ge langten an das Mietgericht des Kantons Waadt, das den monatlichen Mietzins auf den vom Vormieter bezahlten Betrag von 1562 Franken reduzierte. Der Vermieter focht den Entscheid des Mietgerichtes an und bekam vor Kantonsgericht Recht. Das Mietgericht setzte den Mietzins im zweiten Anlauf auf den Betrag von 1800 pro Monat fest, was vom Waadt

länder Kantonsgericht bestätigt wurde. Der Mieter zog das Urteil weiter bis ans Bundesgericht, das die Beschwerde des Mieters allerdings abwies. Die Richter in Lausanne riefen in Erinnerung, dass der Mietzins für eine Altbau-Wohnung ver mutungsweise missbräuchlich ist, sofern eine massive Erhöhung (d.h. über 10%) des Mietzinses gegenüber dem vom Vor mieter bezahlten Mietzins besteht und diese Erhöhung nicht durch Erhöhung des Referenzzinssatzes für Hypotheken oder Erhöhung des Landesindexes für Konsumentenpreise begründet ist. Ge lingt es dem Vermieter nicht begründete Zweifel an dieser Vermutung zu wecken, muss der Richter den Anfangsmietzins auf das zulässige Mass reduzieren. Wäh rend das Bundesgericht es bisher als zu lässig erachtete, bei fehlenden Beweisen der Parteien auf den Mietzins des Vor mieters abzustellen, präzisierte es nun, dass dies nur dann gelten soll, wenn keine anderen Beweismittel vorliegen. Bestehen andere Grundlagen wie zum Beispiel kantonale oder kommunale Statistiken, darf ein Gericht bei der Fest legung des Anfangsmietzinses darauf

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