HEV_Jahresbericht_2015

Rechtsprechung

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Ausgewählte Bundesgerichtsentscheide

Vorbezüge aus der Säule 3a Im Urteil BGer 2C_325/2014 vom 29. Januar 2015 hatte das höchste Gericht folgenden Sachverhalt zu beurtei- len: Die steuerpflichtigen Beschwerdeführer tätigten innert weniger Tage zwei Vorbezüge aus der gebun- denen Selbstvorsorge (3. Säule) und verwendeten das Geld zur Amortisation einer Hypothek sowie für den Liegenschaftsunterhalt. Noch im selben Jahr erhöhten sie die Hypothek auf der selbstgenutzten Liegenschaft um 40‘000 Franken. Die Steuerbehörden taxierten die 40‘000 Franken aus der Erhöhung der Hypothek als steu- erbares Einkommen. Das Bundesgericht wendet für die Zweckverwendung ei- nen sehr strengen Massstab an. Für das Gericht genügt es, wenn zunächst eine Hypothek amortisiert und in der Folge eine Hypothek erhöht wird, um eine Zweckent- fremdung anzunehmen. Gleiches dürfte wohl auch für den Neuabschluss einer Hypothek gelten. Nach Auffas- sung des Bundesgerichts wurde im Betrag der Erhöhung der Hypothek frei über den Kapitalvorbezug verfügt. Er unterliegt daher der ordentlichen Einkommensbesteu- erung. Damit will das Bundesgericht verhindern, dass durch das «Umparkieren» von Geldern die in der Vorsor- ge gebundenen Mittel in den frei verfügbaren Privatbe- reich transferiert werden können. Mit der Erhöhung der Hypothek hätten die Mittel im Umfang der Erhöhung ih- ren Vorsorgecharakter verloren. Dies ungeachtet dessen, dass die Mittel wieder für die Sanierung des Hauses ver- wendet und damit wieder einem anerkannten Vorsorge- zweck zugeführt wurden. Das ist eine etwas gar strenge Handhabung des Rechts.Wäre anstelle der Investition in den Gebäudeunterhalt eine Yacht gekauft oder das Geld anderweitig angelegt oder ausgegeben worden, so wäre diese Rechtsprechung zweifelsohne nicht zu beanstan- den. Das vorliegende Urteil nimmt jedoch gewisse Züge einer Bestrafung an, weil die Steuerpflichtigen zeitlich verschoben ihre Pensionskassengelder für anerkannte Zwecke verwendet haben. Fraglich ist, ob diese Konsequenz auch eintritt, wenn vorgängig eine Erhöhung oder Neuabschluss einer Hy- pothek stattfindet und anschliessend ein Vorbezug getä-

tigt wird. Leider äussert sich das Bundesgericht nicht zur Frage, welcher zeitliche Abstand zwischen Vorbezug und Erhöhung oder Neuabschluss einer Hypothek beachtet werden muss, damit der Vorbezug nicht als zweckent- fremdet taxiert wird und folglich als Einkommen versteu- ert werden muss. Es besteht diesbezüglich eine erhebli- che Rechtsunsicherheit. Es ist daher ratsam, man tätigt wenn möglich die Investition entweder einzig mit einer Hypothek(-erhöhung) oder allein mit einem Vorbezug sofern zudem noch eine Abbezahlung im Raum steht. Werden zusätzlich zu einer Amortisation die beiden Fi- nanzierungsarten «kombiniert», ist Vorsicht geboten. Das Bundesgericht hatte im Entscheid 140 III 598 die Frage der Anfechtung einer Kündigung zu beurteilen, bei welcher die Mietparteien uneinig waren. In einem sol- chen Fall kann jeder einzelne Mieter die Kündigung al- lein anfechten. Um den Erfordernissen der notwendigen Streitgenossenschaft (Art. 70 ZPO) zu genügen, muss der anfechtende Mieter die Klage sowohl gegen den Vermieter als auch gegen die Mieter, welche die Kün- digung nicht anfechten wollen, richten. Die Anfechtung einer Kündigung muss somit nicht durch alle Mieter gemeinsam erfolgen. Das Bundesgericht schützte einen Entscheid des Obergerichtes des Kantons Genf vom 24. Februar 2014. Im vorliegenden Fall ging es um eine Mietwohnung in Genf, welche von einer Mutter und deren Tochter ge- meinsam gemietet wurde. Im Jahre 2008 kam es im Rahmen eines Schlichtungsverfahrens bezüglich der An- fechtung einer Mietzinserhöhung zu einemVergleich der Parteien. Die Mutter verstarb im Jahre 2009 und hinter- liess als Erben drei Kinder (ihre Tochter, die Mitmieterin war sowie zwei weitere Kinder). Der Vermieter kündigte in der Folge während einer laufenden Sperrfrist das Miet- verhältnis auf den 31. Dezember 2009. Beide Vorinstan- zen entschieden, dass die in der Mietwohnung lebende Tochter, die Kündigung zu Recht alleine habe anfechten dürfen, zumal sie den Anforderungen einer notwendigen Kündigung: Anfechtung bei mehreren Mietern

Streitgenossenschaft (Art. 70 ZPO) Rechnung getra- gen habe, indem sie auch gegen ihre zwei Geschwister Klage führte. Die Kündigung wurde im Sinne von Art. 271a Abs. 1 lit. e OR als missbräuchlich qualifiziert. Die Vorinstanz rechtfertigte diese Lösung mit dem Ziel des Sozialschutzes, auf welches die Bedingungen bezüglich der Anfechtbarkeit von missbräuchlichen Kündigungen abzielten. Die Frage, ob Mitmieter eine Kündigung ge- meinsam anfechten müssen, ist in der Lehre umstritten. Das Bundesgericht stellte im vorliegenden Fall fest, dass die Mitmieter eine notwendige Streitgenossenschaft bilden, weil eine Gestaltungsklage wie die Anfechtung der Kündigung nicht zu einem Urteil führen könne, das nur für gewisse Betroffene Gültigkeit habe. Notwendi- ge Streitgenossen müssten gemeinsam handeln oder gemeinsam ins Recht gefasst werden. Wenn die Klage nicht von allen Parteien, die gemeinsam handeln müss- ten, eingereicht werde oder wenn sie nicht gegen diese gemeinsam geführt werde, fehle es an der Aktiv- oder Passivlegitimation und die Klage werde abgewiesen. Eine notwendige Streitgenossenschaft könne sich je- doch vor allem bei Gestaltungsklagen darauf beschrän- ken, dass alle Genossen auf der einen oder anderen Sei- te am Prozess teilnähmen. Das Recht, sich gegen eine missbräuchliche Kündigung zur Wehr zu setzen, entspre- che einem Bedürfnis nach Sozialschutz, insbesondere wenn es um einen Wohnraum gehe. Demgemäss müsse dem Mitmieter das Recht zugesprochen werden, bezüg- lich der Anfechtung der Kündigung alleine zu handeln. Der Kläger müsse aber den oder die Mitmieter, die sich der Kündigung nicht widersetzen wollten, auf der Sei- te des Vermieters mit in den Prozess einbeziehen, weil ansonsten keine Aktivlegitimation gegeben sei. Dies sei vorliegend der Fall gewesen, weshalb die Vorinstanz die Aktivlegitimation der Mieterin zu Recht bejaht habe.

worden war. Das Bundesgericht beurteilt diesen Kün- digungsgrund als legitim. Eine solche Kündigung kann auch schon dann ausgesprochen werden, wenn sich das Projekt erst in der Entwicklungsphase befindet und noch keine konkreten Pläne vorliegen. Das Bundesgericht schützte einen Entscheid des Obergerichtes des Kantons Genf vom 24. Februar 2014. Im vorliegend zu beurteilenden Fall hatte der Vermieter den Mietern das Mietverhältnis per Ende Mai 2013 ge- kündigt. Die Kündigung wurde damit begründet, dass die Mietliegenschaft (eine Villa) abgebrochen und da- nach der Neubau eines Mehrfamilienhauses beabsich- tigt werde. Die Kündigung erfolgte, nachdem einer der Mieter seit März 2011 zahlreiche Reklamationen an die zuständige Liegenschaftsverwaltung gerichtet hatte. Die Mieter fochten die Kündigung als missbräuchlich an. Das Bundesgericht hielt vorerst fest, dass der Ver- mieter grundsätzlich frei ist, den Mietvertrag im Hinblick auf eine möglichst gewinnbringende Nutzung seines Vermögens zu kündigen. Namentlich sei der Vermieter zur Kündigung zwecks Erzielung eines höheren Ertrags berechtigt. Es sei dem Vermieter unter diesem Aspekt gestattet, die bisherige Mietliegenschaft abzubrechen, um ein Gebäude mit einem höheren Wert erstellen zu können. Die Kündigung würde sich nur dann als miss- bräuchlich erweisen, wenn das Projekt des Vermieters keine greifbare Realität darstelle oder objektiv un- möglich sei, insbesondere weil das Projekt nicht den einschlägigen öffentlich-rechtlichen Bestimmungen entspreche und der Vermieter die erforderlichen Bewil- ligungen nicht erhältlich machen könne. Der Nachweis einer solchen Situation obliege aber dem Mieter. Zudem setze die Gültigkeit der Kündigung nicht voraus, dass der Vermieter eine allenfalls erforderliche Bewilligung bereits erhalten habe, ja nicht einmal, dass er bereits eine Baueingabe gemacht habe. Die Mieter waren der Auffassung, der Kündigungsgrund sei vorgeschoben, das wahre Motiv sei in den berechtigten Reklamationen ab März 2011 zu sehen. Da der Vermieter belegen konn- te, dass im Zeitpunkt der Kündigung zwei Architekturbü- ros mit der Ausarbeitung eines Bauprojektes beauftragt gewesen waren und Gründe dafür vorbrachte, weshalb

Kündigung im Hinblick auf Abbruch der Mietliegenschaft

Das Bundesgericht hatte in einem Entscheid vom 17. Juli 2014 (4A_210/2014) eine Kündigung zu beurteilen, welche vom Vermieter mit dem Abbruch der Mietlie- genschaft und der Errichtung eines Neubaus begründet

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