HEV_Jahresbericht_2015
Rechtsprechung
Rechtsprechung
Tätigkeit der Schlichtungsbehörden
die beiden Büros noch nicht ein detailliertes Projekt hat- ten vorlegen können, ging das Bundesgericht davon aus, dass das den Mietern bekannt gegebene Abbruch- und Neubauprojekt nicht als fern jeglicher greifbarer Reali- tät erscheine. Die kantonale Vorinstanz habe bei dieser Sachlage ohne Willkür davon ausgehen können, dass der Vermieter den Kündigungsgrund genügend dargetan habe und das Mietverhältnis aus diesem Grunde auch gekündigt hätte, wenn keine mieterseitigen Reklamati- onen eingegangen wären. Bei dem vom Bundesgericht zu beurteilenden Streit ging es um Sichtschutzwände eines Hauses. Die Liegenschaft befindet sich in der Kernzone 1 und ist im kantonalen Inventar der geschützten und schützenswerten Bauten und Objekte des Kantons. Die Sichtschutzwände wurden von der Eigentümerin im Jahre 1988 ohne Einholung einer Baubewilligung errichtet. Ein Nachbar gelang- te zehn Jahre später an den Gemeinderat und vertrat die Meinung, dass die Eigentümerin für die errichteten Schutzwände ein nachträgliches Baubewilligungsver- fahren zu durchlaufen habe. Der Gemeinderat war erst der Auffassung, dass die Wände keine bewilligungs- pflichtigen Bauten oder Anlagen darstellten. Mit Be- schluss vom 17. Dezember 2010 änderte dieser jedoch seine Meinung und verpflichtete die Bauherrin ein nach- trägliches Baubewilligungsgesuch einzureichen. Gegen das eingereichte Baugesuch erhoben die Nachbarn Ein- sprache. Der Gemeinderat verweigerte in der Folge die nachträgliche Baubewilligung und ordnete die Entfer- nung des Sichtschutzes an. Die Bauherrin erhob gegen diesen Beschluss Beschwerde an den Regierungsrat, der die Beschwerde teilweise guthiess. Gegen diesen Beschluss gelangten die Nachbarn ans Verwaltungsge- richt. Dieses hob den angefochtenen Beschluss auf. Die Bauherrin gelangte daraufhin ans Bundesgericht. Dieses wies die Beschwerde der Eigentümerin einstimmig ab. Es bestätigte die Argumentation des Verwaltungsge- richts, das aufgrund der uneinheitlichen Ausgestaltung der Sichtwände davon ausgegangen war, dass diese den Nachträgliche Baubewilligung für Sichtschutzwände
für die Kernzonen geltenden erhöhten Anforderungen an die Einfügung in das Ortsbild nicht genügten. Eine Entfernung der Sichtwände kann indes nur dann ver- langt werden, wenn es dafür eine gesetzliche Grundlage gibt, der Verhältnismässigkeitsgrundsatz gewahrt wird und wenn an der Entfernung ein öffentliches Interesse besteht. Die Bauherrin machte geltend, dass das Verwal- tungsgericht bei der Prüfung der Verhältnismässigkeit keine Interessenabwägung vorgenommen habe. Am Abbruch bestehe kein öffentliches Interesse, da der Ge- meinderat bis 2013 nichts gegen die Sichtschutzwände eingewendet und ein behördliches Einschreiten verneint habe. Das Entfernen sei nicht zumutbar, da die Bauherrin gutgläubig und nach vorgängiger Bewilligung durch den damaligen Bauverwalter vorgegangen war. Zudem hätte ein Abriss zur Folge, dass die damaligen Investitionen vernichtet würden und die Bauherrin beim Nutzen der Terrasse den Blicken von Nachbarn ausgesetzt wäre. Das Bundesgericht wies darauf hin, dass gemäss seiner Rechtsprechung der Anspruch der Behörden auf Wieder- herstellung des rechtmässigen Zustandes grundsätzlich nach 30 Jahren verwirke. Das höchste Gericht verneinte die Gutgläubigkeit der Bauherrin. Sie hätte sich nicht auf die Zusage eines Bauverwalters verlassen dürfen, weil sie gewusst habe, dass dieser nicht zuständig für die Erteilung von Baubewilligungen war. Ist der Anspruch auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes nicht verwirkt, überwiegt auch bei jahrzehntelanger Duldung das öffentliche Interesse daran, dass Bauten den erhöhten Gestaltungsanforderungen einer Zone entsprechen. Bezüglich des geltend gemachten Verlusts der Privatsphäre führte es aus, dass dem Bedürfnis nach Sichtschutz auch durch den Aufbau von Wänden, die der Umgebung angepasst sind, Rechnung getragen werden kann. Zu den Investitionen fügte es an, dass kein erheb- licher Nachteil entstehe, da die Investitionskosten nach 25 Jahren des Gebrauchs weitgehend amortisiert seien.
Bei den kantonalen Schlichtungsbehörden in Mietan- gelegenheiten gingen zwischen 1. Juli 2014 und 30. Juni 2015 28‘555 Anfechtungen ein. Dies waren 3‘252 weniger als im Zeitraum 1. Juli 2013 bis 30. Juni 2014. Gemessen an den über zwei Millionen Mietverhältnis- sen in der Schweiz werden die Schlichtungsbehörden weiterhin selten angerufen. Zwischen 1. Juli 2014 und 30. Juni 2015 wurden insgesamt 28‘993 Fälle erledigt, davon 21‘767 Fälle von den Schlichtungsbehörden. In 15’216 Fällen konnte eine Einigung zwischen den Par- teien erzielt werden. Dies entspricht einem Anteil von 69.9% der von den Schlichtungsbehörden erledigten Verfahren. In 5’291 Fällen (24.3%) konnte durch die Schlichtungsbehörde keine Einigung herbeigeführt werden. In 1‘260 Fällen (5.8%) konnte die Schlich- tungsbehörde aufgrund der gesetzlichen Grundlagen direkt einen Entscheid fällen. 7‘226 Fälle wurden an- derweitig erledigt (Rückzug, Nichteintreten, Gegen- standslosigkeit oder Überweisung an Schiedsgericht).
Behandelte Fälle 1. Juli 2014 – 30. Juni 2015: 28‘993 davon durch Schlichtungsbehörden: 21‘767
6.0%
1‘260
24.0%
5‘291
Einigung Entscheid Nichteinigung
15‘216
70.0%
Quelle: Bundesamt für Wohnungswesen
Themenspektrum der behandelten Fälle
1.7.10– 1.7.11– 1.7.12– 1.7.13– 1.7.14– 30.6.11 30.6.12 30.6.13 30.6.14 30.6.15
Anfangsmietzins Mietzinserhöhung Mietzinssenkung
585
541
676
697
874
2‘329 1‘083 1‘428 5‘862 1‘515 8‘609
2‘032 1‘986 1‘613 2‘551 1‘025 1‘083 5‘142 5‘758 6‘895 7‘263 1‘531 1‘929 7‘992 8‘511
1‘906 2‘755 1‘275 6‘019 7‘962 1‘955 8‘931
1‘767 1‘524 1‘200 6‘349 8‘105 1‘948 7‘226
Nebenkosten
andere Anfechtungsgründe 6‘872
Kündigungsschutz Mietzinshinterlegung
andere Fälle*
Total
28‘283 26‘771 29‘757 31‘500 28‘993
Quelle: Bundesamt für Wohnungswesen *andere Fälle: Rückzug, Nichteintreten, Gegenstandslosigkeit oder Überweisung ans Schiedsgericht
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