Unterhaltsarbeiten und Erneuerungen von Mietliegenschaften
Dank regelmässigem Unterhalt und der richtigen Pflege kann die Lebensdauer Ihres Gebäudes erhöht werden.
Unterhaltsarbeiten und Erneuerungen
Merkblatt: Unterhaltsarbeiten und Erneuerungen von Mietliegenschaften
Vorbemerkung
Investitionen für grosszyklische Instandstellungsarbeiten und erst recht für umfassende Überholungen beanspruchen in aller Regel fünf- bis sechsstellige Beträge. Wer sich noch nie oder nur selten mit der Überwäl- zung derart hoher Beträge auf die Mietzinse befasst hat, ist gut beraten, den fachlichen Rat eines Mietrechtsspezialisten einzuholen; denn einer- seits ist die „Anfechtungsneigung“ der betroffenen Mieter angesichts der beachtlichen Mietzinserhöhung relativ gross und anderseits beziehen sich die gerichtlichen Entscheide immer auf den beurteilten Anwendungsfall und können daher nur beschränkt verallgemeinert werden. Diese Bro- schüre soll Hinweis für die Vorbereitung geben und aufzeigen, worauf speziell zu achten ist. Die Broschüre vermag eine fachkundige Beratung im Einzelfall allerdings nicht zu ersetzen. Aus demselben Grund verzichtet der HEV Schweiz auch darauf, die Berechnung der Mietzinserhöhung zu- folge umfassender Überholungen auf dem „Mietzinsrechner“ (www.hev- schweiz.ch/vermieten-verwalten/mietzinsrechner) anzubieten. Der Vermie- ter, der ausserstande ist, diese Berechnung selber vorzunehmen, ist oft- mals auch mit den sonstigen „Do‘s and Dont‘s“ einer korrekten und er- folgversprechenden Vorgehensweise nicht vertraut.
A. Einleitung
1. Unterhalts- und Reparaturarbeiten
Der Vermieter ist verpflichtet, die Sache zum vereinbarten Zeitpunkt in einem zum vorausgesetzten Gebrauch tauglichen Zustand zu übergeben und in demselben zu erhalten (Art. 256 Abs. 1 OR). Der Mieter muss Arbeiten an der Sache dulden, wenn sie zur Beseitigung von Mängeln oder zur Behebung oder Vermeidung von Schäden notwendig sind. Er muss dem Vermieter zu diesem Zweck auch gestatten, das Mietobjekt zu besichtigen (Art. 257h Abs. 2 OR). Das Recht und die Pflicht zur Durchführung solcher Unterhalts- und Reparaturarbeiten bestehen während der ganzen Mietdauer, also na- mentlich auch nach erfolgter Kündigung des Mietverhältnisses bis zu dessen
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Rückgabe. Dabei muss der Vermieter dem Mieter Arbeiten und Besichtigun- gen rechtzeitig anzeigen und bei der Durchführung auf die Interessen des Mieters Rücksicht nehmen (Art. 257h Abs. 1 und 3 OR).
2. Erneuerungen und Änderungen
Der Vermieter ist auch berechtigt, eigentliche Erneuerungen oder Änderun- gen der Mietsache vorzunehmen, welche über die reine Substanzerhaltung (Mängelbeseitigung, Schadensvermeidung) hinausgehen. Solche weiterge- henden baulichen Massnahmen sind allerdings nur unter folgenden beiden Voraussetzungen zulässig:
- Die Arbeiten sind für den Mieter zumutbar und
- das Mietverhältnis ist nicht gekündigt (Art. 260 Abs. 1 OR).
Dies bedeutet, dass in einem gekündeten Mietverhältnis keine Erneuerungen und Änderungen an der Mietsache vorgenommen werden können (vgl. nach- stehend 2.2). Ausgenommen sind dringende oder von einer Behörde zwin- gend vorgeschriebene Sanierungsmassnahmen. Im Folgenden werden die beiden Voraussetzungen näher erläutert.
2.1. Zumutbarkeit für den Mieter
Ob eine geplante Sanierung für den Mieter zumutbar ist, ist aufgrund sämtli- cher Umstände des konkreten Mietverhältnisses zu beurteilen, wobei auf ob- jektive Gesichtspunkte abzustellen ist. 1 Subjektive (Wunsch-)Vorstellungen der Mieter sind somit unbeachtlich. Zur Beurteilung der Zumutbarkeit der Ar- beiten ist eine Abwägung der gegenüberstehenden Interessen vorzunehmen. Zu berücksichtigen sind insbesondere Art, Zweck und Dauer des Mietvertra- ges, der Umfang der Arbeiten und ihre Auswirkungen auf die Mieter, die Dringlichkeit der Sanierung und ihr Nutzen für die Mieter, vorhersehbare Än- derungen der vertraglichen Leistungen (inkl. Höhe der Mietzinse) ebenso wie der Ausführungszeitpunkt der Arbeiten. 2 Das Bundesgericht stellt zur Beurtei- lung der Zumutbarkeit im Wesentlichen darauf ab, wie weit der Mieter durch die Erneuerungsarbeiten im Gebrauch der Mietsache eingeschränkt wird. 3 Es hielt zudem fest, dass der Vermieter weniger einschneidenden Reparatur- oder Unterhaltsarbeiten, welche zu einer zeitlichen Verzögerung der Erneue- 1 vgl. Peter Higi, Zürcher Kommentar [ZK-Higi], Zürich 1994, N. 27 zu Art. 260 OR 2 vgl. SVIT-Kommentar zum schweizerischen Mietrecht, 3. Auflage, Zürich 2008 (SVIT-Kommentar), N. 26 zu Art. 260-260a OR, ZK-Higi, N. 31ff. zu Art. 260 OR 3 Entscheid des Bundesgerichts 4C.382/2002 vom 4. März 2003 in MRA 3/2003 S. 75 ff.
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rungsarbeiten führen, den Vorzug zu geben habe. 4 Diese Praxis des Bun- desgerichts bewirkt, dass in bewohnten Mietliegenschaften die geplante Durchführung von umfangreichen Gebäudesanierungen mit wesentlichen Be- schränkungen der Gebrauchstauglichkeit der Mietsache (z.B. Sanierung der Wasserleitungen und Sanierung der elektrischen Leitungen, Erneuerung von Küchen und Bädern sowie der Bodenbeläge) zu langwierigen Streitigkeiten über die Zumutbarkeit der Sanierung führen können ( vgl. hierzu B. ). Erneuerungen und Änderungen dürfen vom Vermieter nicht ausgeführt wer- den, wenn gekündigte Mietverhältnisse vorliegen. Dabei spielt es keine Rolle, welche Partei das Mietverhältnis gekündigt hat. Diese Voraussetzung wird damit begründet, dass es dem Mieter nicht zugemutet werden kann, die mit Erneuerungs- und Änderungsarbeiten stets verbundenen Unannehmlichkei- ten ertragen zu müssen, ohne danach deren Nutzen geniessen zu können. 5 Es sollte den Mietern der Beginn der Arbeiten rechtzeitig angekündigt werden (vgl. nachstehend B.2.), damit eine mieterseitige Kündigung auf den oder auf einen vor dem geplanten Baubeginn liegenden Termin möglich ist. Verzichtet der Mieter auf die Kündigung, so kann er trotzdem später die Zumutbarkeit der Arbeiten bestreiten. Eine trotz rechtzeitiger Ankündigung ausgesprochene Kündigung des Mieters kann hingegen den Beginn der Arbeiten nicht mehr verhindern. 6 2.2. Ungekündigtes Mietverhältnis 3. Planung: Wahlfreiheit des Vermieters zwischen Sanierung während laufendem Mietverhältnis oder Sanierung nach Kündigung des Mietver- hältnisses Häufig umfasst die geplante Renovation sowohl Unterhalts- wie auch Erneue- rungsarbeiten, welche sich kaum trennen lassen. Bei grösseren Renovati- onsvorhaben trägt der Vermieter damit immer das Risiko, dass sich (einzel- ne) Mieter auf die Unzumutbarkeit von Renovationsarbeiten berufen. Je nach Ausgang des Verfahrens erreichen die Mieter eine Bauverzögerung oder gar die völlige Aufgabe des Bauvorhabens. Unter Umständen muss das ganze Renovationsvorhaben abgeändert oder eingeschränkt werden, weil es teil- weise als unzumutbar erklärt wird.
4 Entscheid des Bundesgerichts 4C.382/2002 vom 4. März 2003 in MRA 3/2003 S. 75 ff. 5 Botschaft, S. 1439 6 SVIT-Kommentar, N. 31 zu Art. 260-260a OR; ZK-Higi, N. 51 zu Art. 260 OR
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Dem renovationswilligen Eigentümer ermöglicht das Mietrecht zwei Vorge- hensweisen: - Die Sanierungsarbeiten werden während der bestehenden Mietverhält- nisse durchgeführt und die Mieter bleiben während der Sanierungsar- beiten in den Räumlichkeiten (vgl. hierzu B.) oder - die Mietverhältnisse werden vor der Durchführung der Sanierung been- det, um dann die Arbeiten am leeren Gebäude durchzuführen ( vgl. hierzu C. ). In der Praxis berufen sich Mieter bei sanften Renovationen (Neuanstrich der Fassade, Isolierung der Kellerdecken, Ersatz des Heizkessels, Renovation des Treppenhauses, Renovation einer Tiefgarage) sowie bei Renovations- vorhaben im Innern der Mietsache, welche eine sichtbare Komfortsteigerung bewirken (z.B. Modernisierung von Küche und Bad, Ersatz alter Bodenbelä- ge), relativ selten auf die Unzumutbarkeit und es kommt kaum zu Verfahren vor den Schlichtungsbehörden. Solche Massnahmen lassen sich grundsätz- lich gut in bewohnten oder genutzten Liegenschaften durchführen. Bei länger dauernden, umfangreicheren baulichen Massnahmen mit erhebli- chen Beeinträchtigungen der Gebrauchstauglichkeit der Mietsache (z.B. auf- grund von länger anhaltenden Lärmimmissionen beim Ersatz von sanitären Leitungen) oder bei völliger Unbewohnbarkeit infolge von Grundrissänderun- gen etc. ist das Risiko von Einsprachen und das damit verbundene Scha- denspotential für den Vermieter jedoch grösser. Derartige Bauvorhaben kön- nen daher in der Regel schneller und kostengünstiger ausgeführt werden, wenn die Mietverhältnisse vorgängig beendet werden. Das Bundesgericht hat ausdrücklich festgehalten, dass der Vermieter berechtigt ist, unbefristete Mietverhältnisse zur Durchführung von Sanierungsarbeiten zu kündigen. 7 Die vertraglichen Kündigungsfristen und -termine sind dafür selbstverständlich einzuhalten; allfällige Sperrfristen nach einer Auseinandersetzung mit einem Mieter sind zu beachten (und wenn eine umfassende Überholung in den nächsten Jahren bevorsteht, nach Möglichkeit zu vermeiden!). Ein zentraler Entscheidungsfaktor bei der Planung einer Sanierung ist zwei- felsohne, ob und wieweit die Bauinvestitionen verzinst und amortisiert werden können: - Wird die Sanierung während bestehender Mietverhältnisse ausgeführt, so kann der Vermieter für wertvermehrende Investitionen eine Miet-
7 vgl. BGE 135 III 112 ff., Bestätigung der Praxis: BGE 142 III 91 ff. in MRA 2/16, S. 96ff.
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zinserhöhung vornehmen. Der Mieter kann die Erhöhung innert dreissig Tagen bei der Schlichtungsbehörde als missbräuchlich anfechten und danach ans Mietgericht gelangen. Da die Festlegung der wertvermeh- renden Anteile der Arbeiten naturgemäss einen grossen Ermessen- spielraum zulässt, riskiert der Vermieter, dass die Gerichte seiner Ein- schätzung nicht folgen. Er kann daher im Zeitpunkt der Renovations- planung nicht mit Sicherheit kalkulieren, welcher Umfang seiner Investi- tionen sich durch eine entsprechende Mietzinserhöhung verzinsen lässt, schlimmstenfalls führt die Sanierung zu einer Schmälerung seiner Rendite (vgl. dazu nachstehend B.). - Werden die Mietverhältnisse vor Durchführung von Sanierungsarbeiten beendet, so können die Mietzinse bei der Neuvermietung nach Ab- schluss der Arbeiten neu festgelegt werden (vgl. dazu die Ausführun- gen unter C.). Es empfiehlt sich daher, bereits im Planungsstadium einen Mietrechtsspezia- listen zur Beurteilung der Chancen und Risiken beizuziehen. Zwecks Planung der Erneuerungsarbeiten bei bestehenden Mietverhältnissen steht dem Vermieter – sofern notwendig – der Zutritt in die Mieträumlichkeiten zu, wobei er auf die Interessen des Mieters Rücksicht zu nehmen hat (Art. 260 Abs. 2 OR) und diesem den Besichtigungstermin rechtzeitig ankündigen muss (Art. 257h OR analog). Eine solche Vorabklärung durch den Vermieter ist selbstverständlich nicht nur in denjenigen Fällen möglich, in denen bereits ein konkretes Vorhaben vorliegt, sondern kann auch in Anspruch genommen werden, um einen allenfalls unterschiedlichen Sanierungsbedarf der einzel- nen Mietobjekte zu erfassen, um gestützt darauf ein Sanierungskonzept erar- beiten zu können. Der Vermieter muss das Zutrittsrecht nicht persönlich aus- üben; die Besichtigung kann auch durch den Verwalter, den Hauswart, den Architekten oder andere Hilfspersonen des Vermieters erfolgen. Der Mieter hat grundsätzlich auch nicht die Möglichkeit, den Zutritt in die Mietsache auf eine einzige Person zu beschränken. (vgl. nachfolgend Ziffer 3 betreffend Zu- trittsverweigerung des Mieters). B. Erneuerungen und Änderungen des Mietobjektes während der Miet- dauer 1. Planung der Erneuerungsarbeiten - Zutrittsrecht
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